Eine Webseite in drei Sprachen, und das ohne viel Aufwand
Aus der Praxis: Wie du die Hürde der Mehrsprachigkeit der Schweiz auch bei deinem Content meisterst und zugleich eine gute User Experience beibehältst.
Zugegeben bei der Wahl des Titels haben wir etwas dick aufgetragen. Der Titel lässt vermuten, dass es im Artikel um Tipps zur Übersetzung eurer Webseite geht. Wir müssen euch jedoch enttäuschen - es geht nur indirekt um Übersetzungsleistungen. In Zeiten von ChatGPT und Deepl.com sind Übersetzungen bei Webprojekten auch nicht mehr die grossen Kostentreiber. Gerade deshalb sollte sich deine NPO umso mehr Gedanken zur Content-Qualität und der eigentlichen Übersetzungsarbeit machen. In diesem Artikel berichten wir aus der Praxis und geben euch Tipps, wie ihr der Mehrsprachigkeit der Schweiz gerecht werdet und zugleich euren Aufwand minimiert.
Das Dilemma
Bereits Wilhelm von Humboldt, Bruder des berühmten Forschungsreisenden Alexander von Humboldt, pflegte zu sagen: Die Sprache ist gleichsam die äussere Erscheinung der Völker; ihre Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ist ihre Sprache, man kann sie beide nie identisch genug denken.
Wer dies verinnerlicht erkennt, dass es bei der Übersetzung einer Webseite (oder anderer Kommunikationsmittel), nie nur um die eigentliche Übersetzung von der einen in die andere Sprache geht. Die Übersetzungsarbeit ist vielmehr eine Übersetzungsleistung von einem Kulturkreis zum anderen. Gerade kleinere Hilfswerke, Vereine oder Verbände müssen und wollen oftmals national auftreten. Das bedeutet, eine drei- oder gar viersprachige Webseite aufzubauen. Gleichzeitig fehlen Skills und Ressourcen, um diese Übersetzungsleistung auch qualitativ vorzunehmen. Gerade Fundraisingtexte und Werbebotschaften sollten durch eine Muttersprachlerin oder einen Muttersprachler erstellt werden, ansonsten kann das rasch sehr aufgesetzt und wenig glaubwürdig wirken.
Was performt wirklich?
Bei einem Digitalaudit schauen wir jeweils genau hin und prüfen auch die Performance der verschiedenen Sprachen einer Webseite. In Google Analytics lässt sich rasch erkennen, wie relevant eine Organisation in der entsprechenden Sprachregion ist. So können Page Hits, Session Times oder Engaged Sessions stark untereinander abweichen.
Beispielsweise schauen wir uns an, wie viele Seiten in der jeweiligen Sprache indexiert sind. Viele Seiten ist gleichbedeutend mit viel Übersetzungsaufwand. Dies sagt jedoch noch nichts über die Qualität der Inhalte aus. Deshalb schauen wir uns auch die Page Views beziehungsweise Unique Page Views der jeweiligen Seiten genau an. Das Resultat in den allermeisten Fällen: Eine beinah gleiche Seitenzahl generiert in einer Sprachversion deutlich weniger Impressions. Hier ein typisches Praxisbeispiel:
Die Grafik zeigt eine Webseite mit jeweils gut 650 Subseiten in Deutsch und Französisch. Italienisch klammern wir an dieser Stelle aus. Während die deutschsprachigen Seiten während eines Jahres rund 65'000 Views generierten, erzeugten die französischsprachigen Seiten gerade einmal 35'000 Views. Was sind die Gründe dafür?
Ehrlicherweise sind die Ursachen einer solchen Verteilung recht unterschiedlich. So sind historisch gesehen die meisten Hilfsorganisationen eher Deutschschweizer oder Westschweizer NPOs. Da helfen auch keine dreisprachigen Webseiten oder unterschiedliche URLs à la https://www.sos-kinderdorf.ch/ und https://www.sosvillagesdenfants.ch/. Wer glaubwürdig in allen vier Sprachregionen der Schweiz auftreten will, muss sich vielmehr den kulturellen Unterschieden und unterschiedlichen Zielgruppen-Bedürfnissen stellen. Der klare Marktfokus auf die Deutsch- oder die Westschweiz, sorgt oft denn auch für eine mässig gute Übersetzungsleistung in die jeweils andere Sprache.
Mehr Impact und weniger Aufwand dank guter UX
Zugegebenermassen sind wir als Digitalanbieterin nicht unbedingt die ausgewiesenen Kulturexperten. Doch darum geht es in diesem Artikel auch nicht. Das Geheimnis guter Sprach-Performance liegt nämlich, nebst guter Übersetzungen, im richtigen User Experience Design (UX). Durch gutes UX lässt sich nämlich der Übersetzungsaufwand massiv reduzieren.
Getreu dem Motto «weniger ist mehr» sollten sich NPOs auf die Inhalte fokussieren, welche auch wirklich gefragt sind und konsumiert werden. Stichwort: Userzentrierung oder user-centered Design. Das führt unweigerlich zu einer Verschlankung und Fokussierung der Seite, wodurch auch die qualitative Übersetzung und die kulturelle Adaption gefördert wird. Ein zentraler Blog oder Content-Hub ermöglicht UX-technisch genau dies – So kann das Sitemap der neuen Webseite bewusst schlank gehalten werden, während relevante Inhalte zentral aufbereitet werden. Diese Inhalte müssen dann auch nicht auf Biegen und Brechen in alle Sprachen übersetzt werden. Dasselbe gilt übrigens für Soulclick Spendenportale und Spendenshops, welche eine Verschlankung der Seitenstruktur und eine Erhöhung des Impacts fördern. Hier ein typisches Sitemap mit zentralen Hubs:
Entdeckergeist und gute UX helfen
Was lernen wir aus der Geschichte? Auf seinen Entdeckungsreisen Ende des 18. Jahrhunderts, insbesondere durch Süd- und Mittelamerika, erzielte Alexander von Humboldt zahlreiche bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse. Während er auf seinen Reisen die grossen Errungenschaften suchte, widmete sich sein grosser Bruder eher philosophischen Themen. Aus dem Zitat von Wilhelm von Humboldt können wir folgendes lernen: NPOs erreichen über ihre Sprache den Geist und das Herz der Völker. Wer im digitalen Zeitalter sein Gegenüber abholen und zum Mitmachen bewegen will, muss jedoch auch die Sprache des User Experience Designs verstehen. Eine logisch aufgebaute und mit starken Botschaften versehene Webseite, schafft genau diesen Zugang zu den Userinnen und Usern.
Nur wer neugierig ist und die richtigen Fragen stellt, gewinnt auf einer solchen Reise auch die richtigen Erkenntnisse. Fundraiserinnen und Fundraiser können hier Wegbereiter einer neuen Spendenkultur werden, die es ihnen erlaubt, mit weniger Aufwand noch mehr Impact zu erzielen. Um die Stärken klassischer Kommunikations- und Fundraisingabteilungen auch ins digitale Zeitalter zu übertragen, braucht es Mut, Neugier und neue Denkansätze. In diesem Sinne: Frohe Entdeckungsreise und gutes Übersetzen!